Wir haben uns entschlossen die Fahrt von den Bergen um Danyang ins historische Zentrum von Gyeongju im südosten von Süd Korea mit dem Zug zu geniessen. Die Bahnbillete kaufen wir bereits ein paar Tage vor unserer Weiterreise direkt am Bahnhof. Die Home-Page von Korail, der koreanischen Eisenbahngesellschaft, ist für uns sogar in Englisch nicht verständlich und irgendwie finden wir dort auch nicht alle Züge die es gibt. In der grossen, sauberen aber fast menschenleeren Bahnhofhalle ist der Bahnangestellte sichtlich erfreut über unseren Besuch und unterstützt uns beim Billettkauf.
Unsere sieben Sachen haben wir bereits am Abend vor der Abreise gepackt. Es ist erstaunlich wie schnell das inzwischen geht – auch bei den Kindern. Dort haben nur die Rucksäcke nach dem Packen ab und zu ungewöhnliche Formen, aber diese Pestbeulen sind schnell von uns beseitigt.
Das heutige Frühstück kaufen wir in einem nahen Laden und geniessen es anschliessend im Buddhasitz sitzend auf unserem Hotelzimmerboden. Hier trinken wir Kaffee und essen die feinen Donougths welche natürlich in Plastik eingepackt sind.
Das unser Zug fast 20 Minuten Verspätung hat, wird den Zugreisenden zuerst persönlich durch einen Bahnangestellten mitgeteilt, der kreuz und quer über das Bahnhofsgelände läuft, sich vor jeder Menschenansammlung verneigt und dann die Verspätung mitteilt. Zu uns kommt er zum Schluss – vielleicht weil er ja geahnt hat, dass wir kein Koreanisch sprechen. Aber auch er macht seine Sache sehr gut, denn wir verstehen was er uns sagen will und nach einem freundlichen “kam saham ni da” von unseren Kindern weicht sogar die Anspannung in seinem Gesicht und er läuft lächelnd wieder zurück in die Bahnhofhalle.
Kurz vor der Zugseinfahrt werden wir über die Geleise zum Perron geleitet. Wir wissen ja schon wie das hier so läuft und stellen uns gemäss den Wagennummern auf unseren Billeten zu den Wagennummern, die auf Tafeln an der Stelle auf dem Perron angebracht sind wo der entsprechende Wagen halten sollte. Und wirklich, der Zug hält, und die Türe unseres Wagons 5 befindet sich genau vor unserer Nase.
Im Wagen sind wir dann etwas enttäuscht, denn wir haben dieses Mal kein 4er Abteil, sondern einfach zwei Sitzreihen hintereinander. Wir sind bereits ein paar Minuten unterwegs, da betritt ein, mit einer richtigen Uniform bekleideter, Kondukteur den Wagon. Natürlich verbeugt er sich sofort vor den Passagieren sobald er die Wagontüre hinter sich geschlossen hat. Dann beginnt er durch den Wagon zu laufen. Dabei bringt er die Vorhänge überall in Ordnung und stellt die Sitzlehnen der leeren Sitze senkrecht. Das ist für uns nichts neues. Doch dann sehe ich etwas mir völlig unbekanntes. Mit einer schwungvollen Bewegung dreht er eine Sitzreihe um 180 Grad. Befand sich dort noch vor ein paar Sekunden ein gemütliches 4er Abteil, befinden sich jetzt zwei Sitzreihen hintereinander. Wir warten genau so lange bis der Kondukteur sich am anderen Wagonende wieder verbeugt und den Wagon verlassen hat, dann stehen wir auf und siehe da, auch wir können unsere Sitze zu einem gemütlichen 4-er Abteil umwandeln…;-)
Kaum zu glauben, dass wir mehrere Tage in der Transsib unterwegs waren, denn in diesem Zug scheint es, dass die Zeit nicht vergeht. Vielleicht liegt das daran, dass wir nicht sehr viel Proviant dabei haben und es bald Zeit für das Mittagessen ist. Wir haben gelesen, dass es in den meisten Zügen einen Cafe-Wagen gibt in dem wir etwas zu Essen bekommen. Den Cafe-Wagen gibt es auch noch aber er völlig verwaist. Die Bordküche ist geschlossen und die Kabinen mit den Einrichtungen für die Computerspiele oder die Kabine mit den Massagesesseln sind verbarikadiert. Der ganze Wagen macht einen ziemlich heruntergekommenen Eindruck und es sieht so aus, als ob die Zeiten dieser in diversen Reiseführer angepriesenen Annehmlichkeiten im Zug definitiv vorbei sind.
Aber zum Glück reisen wir zusammen mit unseren beiden Kindern. Als Rico einmal von der Toilette zurückkommt, hält er einen Plastiksack mit einem grossen Apfel und einer bereits geschälten Khaki in der Hand und meint: “De han i vonere Frou det vorne gschänkt becho”. Etwas später ist es Silvia, die mit ein paar Guetzlis daher kommt, welche sie ebenfalls von Reisenden geschenkt bekommen hat – wir überlegen uns nun unsere Kinder in regelmässigen Abständen durch den Zug laufen zu lassen…;-)
War die Landschaft in Danyang noch sehr hügelig – wir fahren sogar durch einen 360 Grad Kehrtunnel – flacht das Gelände immer mehr ab, je weiter wir in den Südosten des Landes kommen. Es wird auch immer wärmer, vor allem wenn wir uns auf der Sonnenseite des Wagons befinden. Die Städte durch die wir kommen werden massiv grösser, die Bauernhöfe auf dem Land immer traditioneller. Wir sehen wiele Höfe bei denen die diversen, meist einstöckigen Gebäude durch hohe Steinmauern umgeben sind. Die Gebäude sind aus Erde und Holz oder Stein gebaut und besitzen geschwungene Dächer und herrliche, ausladende Eingangstore.
In der Ebene wird eine massiv intensivere Landwirtschaft betrieben. Jeder Flecken Land ist bebaut, überall auf den Feldern wird zum Teil mit Maschinen zum Teil von Hand gearbeitet. Auch hier scheint die Reisernte in vollem Gange zu sein, denn auf vielen Feldern entdecken wir kleine Reis-Mähdrescher den gereiften Reis ernten.
Gyeongju erwartet uns nicht wie erwartet mit einem Anblick von historischen Prachtsbauten, sondern sie begrüsst uns wie fast alle koreanischen Städte mit grossen, 20 – 30 stöckigen Wohnblocküberbauungen. Erst kurz vor dem Bahnhof bekommen wir das historische Zentrum zu sehen in welchem es verboten ist hohe Gebäude zu bauen.
Im historischen Zentrum befindet sich auch unser Guesthouse. Es ist ein traditionelles, sehr kleines, einstöckiges Gebäude mit einem geschwungenen Dach, einer offenen Holzveranda zu der jedes der vier Zimmer eine Türe besitzt. Die Räume sind klein aber sehr stilvoll. Beim Betreten unseres kleinen Raumes (ca. 3x5m) können wir uns zwar noch nicht so recht vorstellen wo oder wie wir hier zu viert schlafen sollen, aber wir denken, dass das schon irgendwie gehen wird.
Und so ist es dann auch. Die drei Futons im Zimmer füllen fast den gesammten Zimmerboden und bieten ausreichend Platz für uns vier. Es ist erstaunlich mit wie wenig Platz wir hier zum Schlafen auskommen. Befänden sich in diesem Raum vier Betten, hätte man keinen Platz mehr sich überhaupt noch im Raum aufzuhalten. Die drei Futons mit den Decken hingegen, werden während des Tages einfach aufgestapelt und lassen und so viel Platz um zu arbeiten oder spielen. Ausserdem befindet sich in unserem Zimmer ein kleiner Tisch deren Beine man einklappen kann. Wenn man den Tisch nicht braucht, klappt man die Beine einfach ein und stellt den Tisch an eine Wand.
Ausser diesem traditionellen Zimmer haben wir hier eine Küche und ein grosses Badezimmer mit Dusche. Auch in diesem Guesthouse ist ein Self-Made Frühstück inbegriffen. Das bedeutet, es hat Toastbrot, Kaffe und Tee, Eier, Butter, Milch und Marmelade im Kühlschrank und es stehen Toaster und kalt- und heiss Wasser Spender zur Verfügung. Natürlich steht auch das entsprechende Geschirr und Besteck zur Verfügung. Und da das Wetter so gut ist, geniessen wir jeden Morgen am Holztisch im gemütlichen Garten des Guesthouses unser Frühstück. Wir sind zwar Luftlinie nur etwa 30m von einer grossen Strasse entfernt, doch in unserem von Mauern und anderen traditionellen Gebäuden umschlossenen Hof hören wir von all dem absolut nichts.