Vor vier Monaten wussten wir nicht einmal das es Lianyungang gibt – jetzt sind wir mitten drin
Als wir in der Schweiz das erste Mal versucht haben das chinesische Visum zu bekommen wurde uns dies verweigert weil wir noch keine Einreise nach China gebucht hatten. Daraufhin schauten wir uns die Landkarte an und entschieden, dass wir die Fähre nach Lianyungang nehmen werden. Das war etwa vor vier Monaten – bis dahin wussten wir nicht einmal, dass es eine Stadt mit diesem Namen gibt.
Nun wissen wir, dass Lianyungang eine Stadt, die sich über eine solch grosse Fläche ausbreitet, dass man mit dem Schnellbus mehr als eine Stunde benötigt um von einem Ende zum anderen zu kommen. Sie hat einen mehreren Quadratkilometer grossen, wichtigen Hafen und es leben etwas mehr als 4,5 Mio. Einwohnern in ihr.
Die Grösse von dieser Stadt bekommen wir zum ersten Mal zu spüren als wir von der Immigration Office zur Bushaltestelle der Schnellbusse laufen. Die Strasse auf der wir unterwegs sind hat Aussmasse, die wir uns in der Schweiz gar nicht vorstellen können. Wir kommen an eine Kreuzung deren Fläche so gross ist, dass man darauf leicht ein internationales Fussballspiel durchführen könnte. Da müssen wir uns sputen um bei grün über die Strasse zu kommen, denn Fussgängerinseln gibte es nicht und da die Fahrzeuge die rechts abbiegen ebenfalls bei rot fahren dürfen – und das auch machen – sind diese Strassenüberquerungen wahrscheinlich das Gefährlichste was wir auf unserer Reise durch China machen. Was uns als erstes auffällt ist, dass fast keine Velos unterwegs sind. Dafür flitzen kleine, sehr leise Roller auf den breiten Velostreifen. Sie sind so leise, dass man sie gar nicht hört. Jawohl, es handelt sich um Elektro-Roller. Diese kleinen Flitzer haben anscheinend die Velos in China verdrängt oder sind auf dem besten Weg dazu dies zu machen.
Nicht nur die Velos werden durch E-Bikes abgelöst, auch die Rikschas, welche es bei unserem letzten Besuch in China noch mit Muskel- oder mit Benzinmotorkraft betrieben waren, haben unterdessen elektrische Nachfolger bekommen. Da wir aber zu viert nicht in ein solches Gefährt passen sind wir nie damit unterwegs.
Es gibt Stimmen, die sagen, dass solche Elektrogefährte viel zu gefährlich seien, weil man sie nicht hört. Aber genau das ist das schöne. Der Verkehr ist massiv leiser und man muss halt einfach gut schauen bevor man über eine Strasse laufen will. Aber dies muss man in China anscheinend sowieso. Für den Verkehr gibt es nur einen passenden Begriff und der ist – chaotisch. Man fäht dort wo es am Besten erscheint. Meistens sind die Fahrzeuge aber relativ langsam unterwegs und sie hupen. Sie hupen sehr viel, denn sie wollen den anderen mitteilen, dass sie kommen, damit man sich darauf einstellen kann.
In China gibt es pro Tag über 600 Tote im Strassenverkehr, das bedeutet, ein Toter alle 2,5 Minuten. Und irgendwie verwundert uns das gar nicht wenn man den Verkehr beobachtet. Und so richtig gefährlich wird es sobald es dunkel wird. Wir wissen nicht wieso die Chinesen das machen, aber viele Roller und auch Autos schalten auch in er Nacht das Licht an ihren Apropos Geräusche. Bevor wir zurück ins Hotel gehen kaufen wir noch etwas zu Trinken. Da sich das Geschäft auf der anderen Strassenseite als unser Hotel befindet müssen wir diese vierspurige plus zwei Velospuren breite Strasse im Dunkeln und ohne Ampel überqueren. Da die Elektroroller nicht zu hören sind und sie, wahrscheinlich um Strom zu sparen, das Licht nicht anstellen, müssen wir unsere Augen und Ohren offen halten um die Strasse ohne Unfall überqueren zu können.
Wir bereits erwähnt gibt es hier eine Schnellbuslinie, die quer durch die Stadt führt. Mit einem solchen Bus die man nur über futuristische Bushäuschen betreten kann fahren wir in fast einer Stunde vom Hafen ins Zentrum. Bezahlen muss man an den Bushäusschen indem man pro Person einen Jeton für 2 Yuan (0.30 Sfr) kauft. Mit diesem Jeton lässt sich dann ein Drehkreuz öffnen und man steht auf dem Perron wo die Busse halten. Diese Schnellbusse sind ständig auf reservierten Busspuren unterwegs und fahren mit 60 – 80 km/h durch die Stadt.
Bei unserer Ankunft im Zentrum steigen wir aus und verlassen uns ganz auf unser MapsMe. Dort haben wir die Position unseres Hotels bereits markiert und so denken wir ist es ein Kinderspiel das Hotel zu finden. Und das wäre es sicher auch, wenn die Position, die wir von Booking.com bekommen haben auch stimmen würde. Aber da dies nicht der Fall ist laufen wir einer falschen Strasse entlang und werden zudem von einem sehr aufdringlichen Elektro-Rikscha-Fahrer verfolgt. Es ist erstaunlich wie auch hier in einer so grossen Stadt die Chinesen auf uns – also genauer auf unsere Kinder – reagieren. Bei einigen Rollerfahrern befürchten wir sogar, dass nächstens ein Unfall passiert wenn sie nicht endlich wieder nach vorne schauen anstatt nur unsere Kinder anzustarren.
Da wir dort wo sich unser Hotel gemäss der Position in MapsMe befinden sollte absolut nichts finden, das wie ein Hotel aussieht, fragen wir in einem Restaurant nach dem Weg. Das führt dazu, dass sich gleich mehrere jüngere Chinesen auf uns stürzen, aber nur einer scheint ein wenig Englisch zu können. Er hilft uns und erklärt uns wie wir zu der Strasse kommen an der sich unser Hotel befindet. Es ist nur eine Querstrasse weiter, doch das bedeutet hier einen Fussmarsch von weiteren ca. 20 Minuten. Mit unseren Rucksäcken kein Zuckerschlecken.
Unser Hotel befindet sich in einem alten Gebäude, der Eingangsbereich ist nicht gemütlich sondern mit diversen Dingen verstellt. Die Angestellten sehen in ihren orangen Unformen aus als ob sie an einer Tankstelle arbeiten würden. Aber sie sind freundlich und geben uns ein Doppelzimmer. Eigentlich haben wir ja zwei Doppelzimmer bestellt. Aber als man uns an der Reception noch einmal fragt ob wir ein oder zwei Zimmer möchten, da denken wir, dass wir zwischen einem Vierbett- und zwei Zweibettzimmer auswählen können. Also sagen wir natürlich wir wollen ein Zimmer. Aber als wir unser vermeintliches Vierbettzimmer betreten, stellen wir fest, dass es sich um ein gewöhnliches Doppelzimmer (natürlich wieder einmal ohne Fenster) handelt. Bei der anschliessenden Diskussion ist die Mehrheit dafür, dass wir es mal mit einem Zimmer versuchen, denn das Doppelbett erscheint uns gross genug zu sein um zu viert darin zu schlafen.
Auf Entdeckungstour im Zentrum von Lianyungang
Kaum haben wir es geschafft die breite, vielbefahrene Strasse vor unserem Hotel zu überqueren, da gelangen wir auch schon auf einen Markt. Der Unterschied zu den Märkten in Süd Korea könnte nicht grösser sein. Die Gerüche respektive der Gestank in manchen Gassen treiben uns fast die Tränen in die Augen. Hier einfach alles verkauft, das man sich vorstellen kann. Wir kommen an Ständen mit Enten, Gänsen, Haustieren, Fischen, Reptilien, Esswaren, Blumen, Gemüse, Fertiggerichte und Baustoffe vorbei. Der Abfall auf den Strassen ist enorm. Unsere Kinder können es nicht verstehen, dass die Leute hier den Abfall einfach auf die Strasse werfen.
Während unsere Kinder grosse Freude an all den angebotenen Haustieren haben, sind wir eher schokiert über die Art und Weise wie diese Tiere gehalten werden. Die Käfige bestehen aus Gitterstäben (auch der Boden) und sind kaum grösser als die Tiere selber. In einem der Käfige stehen drei Hunde, die nicht einmal Platz haben um sich hinzulegen. Die Goldfische oder Meeresschildkröten werden in Plastikbehältern mit viel zu wenig Wasser aufbewahrt und die Vögel müssen sich ihre kleinen, verschmutzen Käfige ebenfalls mit einer grossen Zahl von Artgenossen teilen. Ein Tier das wir entdecken hat hingegen ganz viel Platz. Es handelt sich dabei um eine Ratte, die den Abfall auf der Strasse nach etwas essbaren durchsucht.
Aber es gibt auch sehr viel schönes zu entdecken. Das bunte Treiben auf den Strassen, die exotischen Früchte und das feine Essen welches an kleinen Ständen angeboten werden und die vielen Menschen, die uns neugierig beobachten oder freundlich zulächeln. Überall kommen wir auch an Gruppen von Menschen vorbei die in irgendein Spiel vertieft sind. Die meisten spielen Karten und so wie es aussieht geht es meistens um Geld, aber auch Majong oder Xiangqi – das chinesische Schach – wird gespielt.
Wir schlendern noch ein bisschen durch den moderneren Teil der Stadt, da wir denken, dass unsere Kindern ihre Dosis “altes China” zuerst einmal verdauen müssen. Aber auch in diesem Teil gibt es viel neues und unverständliches für die beiden zu entdecken. So ist der Anblick der vielen Bettler, die ihre verstümmelten Gliedmassen präsentieren für alle von uns nicht einfach. Auch der Kontrast zwischen den modernen Einkaufsläden, wie zum Beispiel dem Apple-Shop, welcher genau gleich eingerichtet ist wie bei uns, den einfachen Kartonhäusern in den Fussgängerunterführungen, wo ebenfalls Menschen wohnen, und den meist alten, verwarlosten Menschen, die auf dünnen Kartonunterlagen auf den kalten, nassen Troittoirs liegen und hoffen, dass jemand etwas Geld in die Bettelschalen werfen, ist enorm und es ist nicht immer einfach unseren Kindern eine Erklärung zu geben für das was wir hier sehen.
Es gibt aber auch noch einen weiteren Teil dieser Stadt und dabei handelt es sich um die neuen Quartiere, welche aus riesigen Wohnblöcken bestehen und einfach irgendwo in die Höhe gezogen werden. Es ist dieser Teil der Stadt der uns am wenigsten gefällt. Bei vielen dieser Quartiere sind wir uns gar nicht sicher ob man sie gerade neu baut, sie bereits uralt sind oder ob man sie bereits wieder aufgegeben hat. Vielleicht liegt es ja auch am Wetter, dass wir einen so düsteren Eindruck bekommen. Auf jeden Fall sind wir alle froh, dass wir nicht in einer solchen Überbauung leben müssen.
Obwohl es in unserem Hotelzimmer alles andere als gemütlich ist, verbringen wir immer wieder Zeit hier, damit wir unsere Erlebnisse verarbeiten können. Am Abend nach dem Eindunkeln zieht es uns für einen kurzen Spaziergang auf die Strassen. Wir laufen staunend an all den nun mit farbigen Leuchtreklamen beleuchteten Hotels, Restaurants und Einkaufszentren vorbei und fragen uns wieso man hier überhaupt noch Strassebeleuchtungen braucht, denn das Licht der Werbungen überall würde völlig ausreichen.
In einem Park können wir mehrere Gruppen von Chinesen beobachten, die zu melodischem China-Schnulze-Pop, ihre abendlichen Turnübungen ausführen. Plötzlich hören wie laute Schussgeräusche. Da diese Schüsse nicht mit Schreien begleitet werden gehen wir davon aus, dass es sich dabei um nichts gefährliches handelt. Wir machen uns auf die Suche nach der Ursache und stellen mit Erstaunen fest, dass es sich hier nicht um Schüsse handelt, sondern es sind ein paar alte Chinesen, die eine Art Peitschen in der Hand halten. Die Peitschen bestehen aus Eisenketten an deren Ende sich zuerst ein Stück Schnur und ganz am Ende ein Kunststoffstück befindet. Diese Peitschen schwingen sie kunstvoll über ihre Köpfe und erzeugen damit diese eindrücklichen, lauten Schussgeräusche.
Aber auch am Morgen können wir überall Gruppen von Menschen beobachten, die gemeinsam turnen, tanzen oder ihre Tai Chi Übungen ausführen.
Essen in China – einfach ein Traum
Zugegeben unser erstes Zmittag in China essen wir in einem koreanischen Pouletimbiss. Das ist reiner Zufall und wir merken auch erst, das alles koreanisch angeschrieben ist, als wir bereits am Essen sind. Als ich den Besitzer um ein Bier bitte, welches ich zu dem feinen Poulet trinken möchte, geht er hinter die Theke, holt einen Schlüssel und braust mit dem Roller davon. Nach ca. 5 Minuten kommt er wieder mit zwei Packungen TsinTao Bier zurück und stellt mir das gewünschte Bier auf den Tisch – so geht das hier in China.
Wir schlendern durch enge Strassen die von Abfall übersäht sind zur Hauptstrasse und suchen unseren Weg in Richtung des Busbahnhofes. Dort gibt es immer viele Essmöglichkeiten und auch diesmal haben wir Glück und finden ein kleines Restaurant vor dem feine chinesische Dumplings in Bambuskörbchen am Garen sind. Wir setzen uns in dieses “Restaurant”, das eine Grundfläche von vielleicht 3 x 5 Meter aufweisst und in dem gerade mal 4 kleine Tische sowie der Zubereitungsplatz für die Dumplings stehen und bestellen das erste Körbchen Dumplings. Die Dingerchen schmecken uns so gut, dass wir gleich ein zweites Körbchen bestellen. Als wir dann das dritte Körbchen in Auftrag geben, wird uns auch noch eine feine, klare Suppe mit Ei, Seegras und Koriander gebracht und auch diese schmeckt wunderbar. Für dieses feine Essen, von dem wir alle vier satt werden bezahlen wir ganze 18 Yuan (3.00 Sfr).
Eigentlich gehen wir zum Essen am liebsten auf einen Nightmarket, wo es super gutes Essen an einfachen Ständen zu essen gibt. Aber das schlechte Wetter in Lianyungang hält uns davon ab und wir gehen in ein Restaurant, das einen sehr gemütlichen Eindruck macht. Die Speisekarte ist natürlich nur auf Chinesisch. Das Personal schaut uns nur mit grossen Augen an und scheint wirklich nichts zu verstehen. Wir versuchen es mit dem Google Translater, aber da Google in China blockiert ist, klappt auch das trotz Wifi nicht. Also gibte es nur noch eine Möglichkeit, wir zeigen einfach auf irgendetwas auf der Karte und lassen uns überraschen. Doch genau in diesem Moment tritt ein Chinese zu uns an den Tisch und fragt uns in bestem Englisch ob er uns helfen könne. Und so ist dieses Nachtessen gerettet. Wir sagen ihm was wir gerne essen möchten und er zeigt uns auf der Speisekarte was wir bestellen müssen, damit wir das bekommen was wir wollen. Das Essen ist super fein und mit vollen Mägen machen wir uns schon bald auf den Weg zurück in unser Hotelzimmer.
Hallo zusammen
Nach den wie immer interesanten beschreibungen von eurer Reise, den Startenden Flugzeugen draussen vor dem Büro und der aufgehenden Sonne am blau roten Morgenhimmel ist es an der Zeit mit der Arbeit zu beginnen. Die einen müssen…… während es die anderen geniessen können 😉
Gruss aus ZRH
Hallo zusammen
Ich bin auch wieder zurück, was sagt Ihr zum feinen Reisschnaps haha.
Lieber Gruss Michu
Wenn ich euren Bericht über diese Stadt, die Neubausiedlungen und den Markt lese, merke ich ganz fest, wie sehr ich mit all dem überfordert wäre… Ja, bin ein rechtes Land- EI und ein Stubenhöck geworden. Umso mehr geniesse ich es, mich auf dem sicheren Sofa sitzend in die weite Welt entführen zu lassen 🙂