Zugfahren in Vietnam – ein gewöhnungsbedürftiges “Vergnügen”

Die Fahrt mit dem Taxi durch das noch schlafende Hanoi dauert nur etwa 15 Minuten, aber die haben es in sich. Hatten wir uns gestern Abend noch vorgestellt, dass eine Fahrt am Morgen früh auf den Strassen von Hanoi nicht sehr schlimm sein kann, da es ja viel weniger Verkehr hat, revidieren wir diesen Gedanken bereits beim Überqueren der ersten Kreuzung – also nach etwa 50 m Fahrt. Es hat viel weniger Verkahr, aber dafür sind wir viel schneller unterwegs und bei jeder Kreuzung muss man damit rechnen, dass ein anderer Vehrkehrsteilnehmer – welcher ebenfalls schneller unterwegs ist – von einer anderen Seite über die selbe Kreuzung rast. Bei einer grösseren Kreuzung ist es dann so weit. Die Ampeln in unserer Richtung leuchtet zwar in wunderschönem Grün, dafür ertönt von rechts ein tiefes, lautes Gehupe. Diese Hupe gehört zu einem ziemlich grossen Betonmischer, der soeben mit hoher Geschwindigkeit von rechts über die Kreuzung rast – wir hatten Grün, er Rot; aber ich bin unserem Taxifahrer doch sehr dankbar, dass er nicht auf seinen Vortritt bestanden sondern stark gebremst und den Betonmischer auf seiner Fahrt nicht gestört hat. Wie gesagt wir sind sehr froh das wir heil und ohne Unfall am Bahnhof ankommen.

Nachdem wir ein paar Baguettes und Kaffe 😉 gekauft haben begeben wir uns auf den bereits geöffneten Perron. Wie in Russland oder China steht vor jedem Wagen ein Bahnmitarbeiter und kontrolliert die Tickets. Wir laufen zuerst an den Soft-Sleeper Wagons vorbei. Diese machen einen recht guten Eindruck. Aber wir reisen ja während dem Tag und so haben wir Tickets für die Soft-Sleeper Klasse. Nachdem unsere Billette von der Wagenchefin kontrolliert und für gut befunden sind, steigen wir in unseren Wagon. Der Anblick der sich uns bietet kann schlicht und ergreifend nur als grauenhaft bezeichnet werden. Alte, ausgesessene Sitze, welche durch ihre triste Bezugsfarbe bereits alt und verbraucht ausgesehen haben als sie neu waren, erwarten uns. Der Boden ist zwar sauber aber überall mit grossen Flecken übersät und wirkt ebenfalls alt und verbraucht. Ok, die Sitze sind nicht ganz so unbequem wie sie auf den ersten Blick aussehen und die Rückenlehnenverstellung funktioniert auch – zum Teil mit etwas erhöhter körperlicher Anstrengung. Unsere Kinder, die sich schon einiges gewohnt sind sind auch nicht gerade begeistert und es braucht eine Zeit guten zuredens bis sie es sich auf ihren Sitzen bequem machen. Obwohl es draussen noch dunkel ist kann man erkennen, dass auch die Fenster nicht gerade sauber sind und das somit auch schwierig sein wird die Landschaft während der Fahrt zu fotografieren. Aber es kommt noch schlimmer, denn kurz vor der Abfahrt ertönen plötzlich laute, fast nicht als Musik zu erkennende Geräusche aus den Lautsprechern, welche sich in unserem Wagon befinden. Derjenige welcher für diese Geräuschkulisse verantwortlich ist braucht etwa fünf Minuten, dann hat er es geschafft und aus den Lautsprechern ertönt nun nur noch leicht verscherbelte Musik dafür in einer erträglichen Lautstärke. Wir lehnen uns in unseren Sitzen zurück und harren der Dinge die uns auf der kommenden, ca. 14 stündigen Zugsreise noch bevorstehen.

HIer sieht noch alles aus wie wir es von Russland und China gewohnt sind - vor jedem Wagen steht der zuständige Wagenbetreuer

HIer sieht noch alles aus wie wir es von Russland und China gewohnt sind – vor jedem Wagen steht der zuständige Wagenbetreuer


Aber von Innen machen die Wagen einen dreckigen und verbrauchten eindruck

Aber von Innen machen die Wagen einen dreckigen und verbrauchten eindruck


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So präsentiert sich die 1.Klasse in Vietnams Zügen

So präsentiert sich die 1.Klasse in Vietnams Zügen


Zum Glück ist der Zug nicht voll und so können wir uns während der Fahrt auf diverse Abteile verteilen. Ich schaffe es sogar während etwa einer halben Stunde mich an einen kleinen Tisch in der Mitte des Wagons zu setzen. Die Musik aus den Lautsprechern wird schon bald durch ziemlich sinnfreie Fernsehproduktionen abgelöst, welche auf den beiden Bildschirmen gezeigt werden, die sich an der Decke in der Mitte des Wagons befinden. Und während draussen vor den dreckigen Fenstern Reisfelder, kleine Ortschaften mit Kirchen und Tempeln vorbeiziehen wissen wir schon, nach noch nicht einmal drei Stunden Fahrt, nicht mehr wie wir sitzen sollen. Immer wieder laufen Bahnangestellte durch den Wagon. Es sind so viele verschiedene, dass wir uns gar nicht sicher wer in diesem Zug die Mehrheit besitzt; die Reisenden oder doch die Bahnangestellten. Auf jeden Fall konnten wir bereits drei verschiedene Minibars samt Personal gleichzeitig in unserem Wagen beobachten. Auch reparierten drei andere Bahnangestellte eine Vorhangstange an einem unserer Fenster und dann gibt es noch die unzähligen Bahnbeamten, die einfach hin und her laufen und immer den Eindruck erwecken, als ob sie einen ganz wichtigen Job haben. Und gerade als ich das schreibe kommt nun die vierte Minibar in unseren Wagen, auf der sich zuoberst ein Bildnis von Onkel Ho, dem geistigen Vater Vietnams, befindet und dessen Konterfei überall im Land anzutreffen ist.

Anscheinend fahren auf jedem Zug eine ganze Menge von Angestellten mit, hier wird ein Vorhang während der Fahrt repariert

Anscheinend fahren auf jedem Zug eine ganze Menge von Angestellten mit, hier wird ein Vorhang während der Fahrt repariert


Auch an Minibaren fehlt es nicht, denn in unserem Zug hat es drei verschiedene

Auch an Minibaren fehlt es nicht, denn in unserem Zug hat es drei verschiedene


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Natürlich darf das Bild von Oncle Ho (so wird Ho Chi Minh von den Vietnamesen liebevoll genannt) nicht fehlen

Natürlich darf das Bild von Oncle Ho (so wird Ho Chi Minh von den Vietnamesen liebevoll genannt) nicht fehlen

Konnten wir die Zugfahrt am Morgen noch bei strahlend blauem Himmel geniessen verschlechtert sich im Laufe des Vormittages das Wetter wieder. Somit ist für uns die Welt wieder in Ordnung, denn das wir uns Vietnam mit schönem Wetter vorstellen, dass wäre nun wirklich ein wenig viel verlangt. Die Zugfahrt verläuft mehr oder weniger in geordneten Bahnen. An jedem Bahnhof an dem wir anhalten steigen viele Leute aus, aber noch mehr Leute wieder ein und darum ist es schon bald so, dass wir die von uns selbst gewählten Sitze aufgeben müssen und in den von uns reservierten zu sitzen kommen. Rico hat das Pech, dass der Vietnamese vor ihm seinen Sitz auf die maximale Schlafposition stellt. Somit hat sogar er mit seinen kurzen Beinen fast keinen Platz mehr sich zu bewegen. Mein Vordermann versucht das selbe nur einmal. Mein Schmerzensschrei bringt ihn schnell wieder zur Vernunft und sofort richtet er seine Rückenlehen wieder steiler und ich bin sehr froh darüber.

Nachdem wir ausgiebig vor uns hin gedöst und die Kinder ihre Tabletakkus aufgebraucht haben sind wir am Nachmittag dazu über gegangen zu lesen oder Tagebuch und Blogg zu schreiben. Und während der gesamten Fahrt haben wir ja auch noch die Fernseher an der Decke, welche uns mit unglaublichem Blödsinn volldröhnen. Ab und zu kommt es zu einem Kampf der Giganten. Denn ab und zu scheinen sich die Lautsprecher im Wagon daran zu erinnern, dass auch sie Lärm machen können. Dann werden wir von einer Lärmsynphonie umgeben bei der wir nicht genau sagen können ob sie von den beiden Fernsehern oder von den Wagonlautsprechern um die Aufmerksamkeit unserer Trommelfelle kämpfen.

Die Landschaft die wir durchfahren ändert sich während der ganzen Reise nicht gross. Wir fahren meistens über eine grosse Ebene, auf welcher sich viele Reisfelder befinden. Ab und zu erheben sich grosse, steile Limestone Felsen aus der Ebene. An einer Stelle gibt es sogar so viele von diesen Dingern, dass man extra einen Tunnel für den Zug gebaut hat. Viele der Passagiere blicken während den 2 – 3 Minuten in welchen wir uns in diesem Tunnel befinden gebannt durch die Fenster an die dunkle Tunnelwand und sind völlig begeistert. Anscheinend ist ein Tunnel doch eher etwas ungewöhnliches hier in Vietnam.

Warten vor dem Bahnübergang auf dem Land

Warten vor dem Bahnübergang auf dem Land


Und so sieht es in einer grösseren Stadt aus

Und so sieht es in einer grösseren Stadt aus


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In den letzten zwei Stunden können wir nichts anderes mehr machen als die Passagiere in unserem Wagon zu beobachten, denn draussen ist es bereits so dunkel, dass man nichts mehr sehen kann. Dabei können wir beobachten, wie eine ältere Frau, welche seit Hanoi in der Reihe hinter uns im Wagen sitzt, ihre Füsse zwischen die vorderen Sitze, also dort wo wir sitzen, legt. Ein solches Verhalten ist hier anscheinend völlig normal. Man macht es sich einfach bequem im Wagen. Ob das nun mit dem Sitz ist welchen man bis zum Anschlag hinunter lässt und damit dem hinteren Passagier fast einklemmt oder sich quer über die Sitze legt und seinen Mitreisenden die Füsse direkt auf Kopfhöhe an die Wand hält. Die vietnamesischen Mitreisenen stört das einfach nicht, sondern sie machen es genau gleich. Besetzt jedoch jemand einen Sitz für den ein anderer eine Reservation besitzt, dann wird ohne zu Fragen aufgestanden und der Sitz freigegeben. Aber ich war ja bei dieser älteren Frau, die eine Reihe hinter uns sitzt. Etwa vor 2 oder 3 Stunden ist neben diese Frau eine jüngere Vietnamesin gesessen, es handelt sich dabei also um jemanden, den die ältere Frau sicher vorher nicht gekannt hat. Und nun können wir beobachten, wie die ältere Frau ihren Pullover heraufgezogen, den BH gelöst hat und ihren Rücken der jungen Vietnamesin entgegenstreckt. Und die junge Vietnamesin massiert der älteren Frau den Rücken.
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In Hue angekommen stehen wir buchstäblich im Regen und deshalb entschliessen wir uns sehr schnell für die Fahrt zu unserem Hotel ein Taxi zu nehmen. Die Preisverhandlungen bringen wir von den verlangten 100’000 Dong (5.- Sfr) sehr schnell auf 50’000 Dong (2.50 Sfr) hinunter. Interessant dabei ist, dass der Taxichauffeur trotz des vereinbarten Preises den Taximeter trotzdem eingeschaltet lässt. So sehen wir, dass die Fahrt vom Bahnhof zum Hotel offiziell knapp 40’000 Dong gekostet hätte. Aber bei dem Regen bezahlen wir den von uns vereinbarten Aufpreis von 0.50 Sfr sehr gerne.

Kaum hat unser Taxi vor dem Jade Hotel angehalten, kommen auch schon diverse Hotelangestellte herausgerannt um uns auf der Strasse in Empfang zu nehmen. Im Hotel werden wir sofort an einen Tisch geführt wo uns ein Teller Früchte sowie frisch gepresster Fruchtsaft angeboten wird. Auch das Gepäck dürfen wir nicht selber in unser Zimmer tragen, denn dies wird von Angestellten gemacht während wir die feinen Früchte (Mango, Papaya, Maracuya, Wassermelonen) geniessen. Kurz gesagt es ist genau die Ankunft nach welcher wir uns nach diesem ziemlich anstrengenden Reisetag gewünscht haben.

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